Dramadreieck: Konfliktlösung durch Reflexion

Veröffentlicht am 
25
April
 
2022
Veröffentlicht am 
12
April
 
2022
Mitwirkende
Katharina Kohlmayr
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Vielleicht hast du schon mal von mir gehört, dass ich gesagt habe: "Jede*r braucht sein Drama." Diese Aussage unterstreicht das "Dramadreieck" des Transaktionsanalytikers Stephen Karpman. Es ist ein sozialpsychologisches Modell, um die Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen zu beschreiben. Das Drama im Dreieck lässt sich auf verschiedene Situationen und Rollen anwenden: Probleme innerhalb einer Organisation oder im Team, Auseinandersetzungen in einer Paarbeziehung, Differenzen innerhalb einer Fußballmannschaft oder Krisen in der Politik. Das Modell beschreibt ein Beziehungsgefüge zwischen mindestens zwei Personen oder Personengruppen. Das Dramadreieck hilft dir dein Verhalten im Konfliktfall zu reflektieren und rationaler und ruhiger zu agieren.

Für Stephen Karpman übernehmen Menschen im Konfliktfall drei ständig wechselnde Rollen – Verfolger*in, Opfer, Retter*in. Grundsätzlich schlüpft jede Person in mehrere, oder alle Rollen. Dennoch haben wir oft eine Lieblingsrolle, in der wir uns am wohlsten fühlen und welche wir daher auch am häufgisten einnehmen.


Die 3 Drama-Rollen

  • Verfolger*in (aka. Täter*in)
  • Opfer
  • Retter*in

Verfolger*in

Meistens wirkt es so, als hätte der Verfolger bzw. die Verfolgerin die mächtigste Position inne. Nicht selten, handelt es sich um Personen, die im jeweiligen Kontext auch tatsächlich hierarchisch über den Opfern stehen. Chefinnen und Chefs, Vorgesetzte, Elternteile sowie Lehrpersonen werden oftmals schnell als Verfolger*innen angesehen. Unabhängig von ihrer (hierarichischen) Position üben Verfolger*innen im Drama-Dreieck einen „Angriff“ aus, indem er/sie anderen Schuld zuweist. Dies kann sich auf eine andere Person oder eine Gruppe beziehen. Spielt sich das Drama im Inneren einer Person ab, verüben wir den Angriff gegen uns selbst. Das bevorzugte Kommunikationsthema ist Kritik und Anklage sowie Verurteilung; anderen Menschen wird zugesetzt und auf ihnen „herumgehackt“. Die entsprechende Grundeinstellung ist „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“. Abgewertet und missachtet wird dabei einerseits das eigene Bedürfnisse nach Nähe und Intimität (Vertrautheit) und andererseits der Wert und die Würde anderer Menschen.


Opfer

Eine Person, die die Opfer-Rolle besetzt, sieht sich dem Angriff schutzlos ausgeliefert. Sie fühlt sich nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft heraus zu verteidigen und wirkt daher schutzbedürftig für umstehende Personen.

Der Verlauf eines Konflikts konzentriert sich in erster Linie auf die Rolle des Opfers. Die beteiligten Personen verspüren den Drang, zu beweisen, dass ihnen die größte Ungerechtigkeit widerfährt und sie sich somit in der drastischeren Opfer-Position befinden. Personen, die diese Rolle bevorzugen, haben die Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“, mitunter auch „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“. Das Opfer wertet massiv seine Fähigkeiten zur Problembewältigung ab oder ignoriert sie schlichtweg. Anstatt für sich selbst einzustehen und tätig zu werden, suhlt sich das Opfer gerne in (Selbst-)Mitleid.


Retter*in

Die Retter-Rolle ist eine etwas scheinheilige Rolle. Grundsätzlich werden die Retter und Retterinnen oftmals (besonders von den Opfern) als „die Guten“ angesehen. Sie kämpfen gegen Ungerechtigkeit, setzen sich für „das arme Opfer“ ein und bieten dem Täter bzw. der Täterin mutig die Stirn. Jedoch trägt der Retter bzw. die Retterin eine ebenso wichtige Rolle im Aufrechterhalten des endlosen Dramas, wie der Verfolger bzw. die Verfolgerin und das Opfer. Der Retter oder die Retterin trägt nicht zur Auflösung des Dramas bei.

Kommunikativ wird dabei oftmals eine gewisse Allwissenheit angeboten (zumindest, was die Probleme des identifizierten Opfers betrifft), und mit grenzenloser Hilfsbereitschaft, aber auch mit ungefragten Ratschlägen und Rettungstaten (re-)agiert und zuweilen traktiert. Das Anliegen ist in erster Linie kurzfristig für Entspannung zu sorgen. Das heißt der Retter bzw. die Retterin fokussiert sich darauf, die Symptome zu bekämpfen und nicht die Ursachen genauer in Augenschein zu nehmen.

Das realisiert er z.B., indem er Aufgaben, die die Rolle des Opfers allein scheinbar nicht lösen kann, einfach selbst übernimmt. Dadurch entlastet er zwar die betreffende Person zeitweise. Gleichzeitig bestätigt und reproduziert er jedoch die Opfer-Zuschreibung. Denn kehrt die gleiche schwierige Situation wieder, weiß die Rolle des Opfers wieder nicht, wie sie damit umgehen soll und ist damit ständig abhängig von ihrem Retter. Die Retter_in-Rolle wird – wie schon die Verfolger_in-Rolle – auf der Basis von „Ich bin o.k., Du bist nicht o.k.“ im sozialen Feld ausgefüllt. In der Retter_innen-Rolle wird das eigene Bedürfnis nach gleichberechtigter (und damit emotional gleich riskanter) Kontaktgestaltung ausgeblendet.


No-Drama-Lama

Oftmals kann Drama unterbunden werden, bevor es überhaupt richtig entsteht. Manchmal reicht schon eine simple Entscheidung, gegen das Drama. Dafür gilt es, Drama-Einladungen zu erkennen und bewusst nicht ins Drama einzusteigen. Ebenso wichtig ist es, nicht nur reaktiv Drama-Einladungen abzuweisen, sondern auch selbst keine eigenen auszusenden.

Aber: Nicht jeder Konflikt ist ein Drama. Natürlich gibt es auch handfeste Störungen, welche wichtig und richtig für Entwicklung und Wachstum sind. Diese brauchen eine konstruktive Lösung bzw. einen Kompromiss.


Wie kann ich Drama auflösen?

Befindest du selbst dich allerdings in einem Drama, welches du auflösen möchtest, dann solltest du dir zunächst folgende Fragen stellen:

  • Welche Drama-Rolle habe ich inne?
  • In welcher Rolle fühle ich mich für gewöhnlich am wohlsten? (Hier gibt es einen kurzen Test, mit dem du herausfinden kannst, zu welchen Rollen im Dramadreieck du häufig neigst)
  • Welche Drama-Rollen spielen die anderen Beteiligten?
  • Warum handeln alle Beteiligten so, wie sie es tun?
  • Gibt es jemanden, der davon profitiert, dass dieses Drama nicht aufgelöst wird und stattdessen immer weiter geht?

In meinen Einzelcoachings fordere ich Kund*innen gerne dazu auf, die entsprechende (Konflikt-) Situation in einem "Rollenspiel" darzustellen und dabei alle drei Rollen einzunehmen. Natürlich geht das - wie zuvor beschrieben - als "kognitiver Prozess", jedoch hat das tatsächliche agieren/spielen der Rollen eine unheimliche Kraft.

Drama-Ausstieg leicht gemacht: Selbstverantwortliches Handeln aller Beteiligten

Um aus dem Dramadreieck auszusteigen, hilft es zunächst zu wissen, dass es ein destruktives System ist, in dem paradoxerweise jede Person aus ihrer Rolle Anerkennung, Bestätigung und/oder Aufmerksamkeit zu gewinnen versucht.

Alle Rollen sind nach außen gerichtet und sind im gewissen Maß von Angst gesteuert. Das jeweilige Rollenverhalten ist der (fehlgeleitete) Versuch, diese Angst zu kontrollieren.

Das beste was wir tun können, um aus bereits bestehenden Dramen auszusteigen ist, sich der eigenen und der anderen Drama-Rollen bewusst zu werden. Ist das geschafft, ist nun die Aufgabe, nicht rollenspezifisch zu handeln, sondern auf authentische, zielführende Kommunikation zu setzen.

Das Ergebnis könnte dann folgendermaßen aussehen:

Der Täter bzw. die Täterin stützt sich in seinem Urteil auf beobachtbares Verhalten, kommuniziert offen und vertritt eine klare Haltung. Er ist bestrebt, Hintergründe zu verstehen und konstruktive Lösungsansätze zu finden, statt nur Kritik zu üben und Anschuldigungen zu machen. Er überwindet seinen Frust, indem er analysiert, was ihn in diesem Moment stört und dies seinem Gegenüber klar und sachlich mitteilt. Dies ist die ideale Basis, um gemeinsam nach Alternativen suchen zu können.

  • Geh in dich und finde heraus, was deine negativen Gefühle verursacht.
  • Erklär deinem Gegenüber genau, was dich stört. Vermeide Verallgemeinerungen, sondern sei so konkret wie möglich.
  • Bilde „Ich“-Sätze, wie z.B. „Ich habe das Gefühl, dass…“, „Ich fühle…“. So vermeidest du Schuldzuweisungen.
  • Sprich in ruhigem Ton und zeig deinem Gegenüber, dass du an einer Lösung des Problems interessiert bist.


Das Opfer tritt aus seiner Passivität heraus und handelt selbstverantwortlich, formuliert die eigenen Bedürfnisse und bittet andere um Unterstützung, ohne sich selbst abzuwerten. Statt sich dem Leben „ausgesetzt“ zu fühlen, übernimmt es Verantwortung für seine Taten und sucht aktiv nach Lösungen. Dies kannst du folgendermaßen umsetzen:

  • Frag dich, was dich momentan in deinem Leben stört und welche Bedeutung dies für dich hat. Sind es vielleicht nur kleine Probleme, von denen du dich aus der Ruhe bringen lässt, die aber am Ende des Tages gar nicht so relevant sind? Oder sind es doch größere Faktoren, die du wirklich in Angriff nehmen solltest?
  • Mach dich selbst auf die Suche nach Lösungen und überleg, wie du dein Leben selbst zum Besseren wenden könntest.
  • Konzentrier dich auf die vielen positiven Dinge in deinem Leben, die wir im Alltag oft aus dem Auge verlieren.


Und der Retter bzw. die Retterin betrachtet andere als mündige Erwachsene, fragt sie, was sie brauchen, trifft klare Absprachen und gibt Verantwortung zurück. Er ist weiterhin bereit, dem Opfer zu helfen. Jedoch behandelt er die Person nicht von oben herab, sondern steht ihr als Coach beratend zur Seite und hilft bei der Lösungssuche.

  • Hör deinem Gegenüber aufmerksam zu.
  • Stell Fragen wie „Wie fühlst du dich dabei?“, „Wie möchtest du dich fühlen?“ und „Was könntest du verändern?“
  • Achte darauf, dein Gegenüber nicht zu bevormunden und die Probleme von anderen sofort selbst lösen zu wollen.


Mit der Veränderung des Verhaltens verwandeln sich die Rollen: Der Täter wird zum Herausforderer, das Opfer zum Gestalter und der Held zum Coach. 🥳


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