Viel hilft nicht immer viel

Veröffentlicht am 
27
June
 
2022
Veröffentlicht am 
27
June
 
2022
Mitwirkende
Katharina Kohlmayr
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Ich werde nicht müde zu sagen, dass der Grad zwischen gesunder Persönlichkeitsentwicklung und Selbstoptimierungswahn ein schmaler ist.

Aussagen wie "Werde, wer du wirklich bist" besitzen eine hohe Anziehungskraft, weil sie die innersten Wünsche nach Glück, Sicherheit und Lebendigkeit triggern. Gleichzeitig passen sie wunderbar in ein Wirtschaftssystem, in dem jede*r für ihr/sein Glück selbst verantwortlich sein soll und in dem stets maximales Wachstum angestrebt wird. 

Ganz natürliche Aspekte des Lebens – "Nichts tun" (auch im Sinne der Regeneration), Pausen, Übergänge, Rückschläge, Auf-der-Stelle-treten, Ängste werden allzu gerne verdrängt und/oder kompensiert. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil es mitunter eine Kunst ist, uns in solchen Phasen selbst auszuhalten. 😎

Wahr bleibt auch, Veränderung lässt sich nicht erzwingen - nicht durch uns selbst, nicht durch andere, nicht durch noch mehr Willenskraft und Disziplin.

Den Impuls, welchen ich meinen Kund*innen gerne gebe ist das Paradox der Veränderung, von Arnold Beisser. Dieser sagt: "Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht, etwas zu werden, das er nicht ist.“ Beisser meint damit, dass Freiheit und Wachstum entstehen, wenn wir aufhören, uns (zwanghaft) verändern zu wollen und stattdessen lernen, uns so anzunehmen, wie wir wirklich sind.

Genau dort setzt mutige Selbstführung an: Ich lerne Verständnis aufzubringen, erforsche mich selbst und verstehe immer besser, wie ich (geworden) bin. Derlei Erkenntnisse wollen bewegt, gehegt, gepflegt und verkörpert werden. Erst danach - und als Folge von - ergeben sich Veränderungen meiner Denkweise, meines Verhaltens, meines Empfindens und meiner gesamten Weltsicht. Dazu braucht es Zeit, Freiräume und jede Menge "lassen": Einlassen, zulassen, loslassen.

Wenn du also das nächste Mal das Gefühl hast, du müsstest ganz unbedingt noch mehr von diesem oder jenem tun - um fitter, belastbarer, glücklicher zu werden, dann ist das vielleicht genau der richtige Moment, um innezuhalten und es nicht zu tun. Oder, wie einer meiner Mentoren es formulierte: "Just be there and don’t do a goddamn thing to change yourself." 😎

Buchtipp: 
Für alle, die auf dem Weg sind, sich selbst besser anzunehmen, ist das Buch des amerikanischen Gestalttherapeuten Arnold Beisser eine echte Empfehlung. Die deutsche Fassung ist zwar schlecht gesetzt (klein und eng geschrieben), aber dennoch arg schön.
Beisser hatte an der Stanford Universität Medizin studiert und die nationalen Tennismeisterschaften gewonnen. Im Alter von 25 Jahren erkrankte er an Kinderlähmung und war fast vollständig gelähmt. In dem Buch beschreibt er eindrucksvoll seine Versuche, mit diesem radikalen Einschnitt, der sein Leben komplett veränderte, fertig zu werden. Zu finden (leider) nur auf Amazon: Wozu brauche ich Flügel?: Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter