Monatsfokus: 10 Abwehrmechanismen der Psyche

Veröffentlicht am 
23
June
 
2022
Veröffentlicht am 
20
June
 
2022
Mitwirkende
Katharina Kohlmayr
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10 Abwehrmechanismen der Psyche im Fokus

In dem Monatsfokus für Juni möchte dir zehn (der etwa 20) pschyologischen Abwehrmechanismen vorstellen. Vermutlich kommt dir der ein oder andere bekannt vor ... interessanter Weise erkennen wir derlei Strategien eher an anderen Menschen, als an uns selbst. Das liegt daran, dass sie im Autopiloten ablaufen, ähnlich unseren Reflexen. Daher werden sie häufig den sog. "Schatten", oder "blinden Flecken" zugeordnet.
Zur Erinnerung - prinzipiell sind Abwehrmechanismen eine gute Sache. Sie sind ein Schutzmechanismus der Seele und ganz ohne würden wir in unserer (derzeitigen) Gesellschaft kaum zurechtkommen. Das heißt, sie erfüllen eine wichtige und gute Funktion. Jedoch abhängig von Dosis und Dauer schaden alle Mechanismen, da sie einen echten Kontakt zu uns selbst, unseren wahren Gefühlen und menschlichen Bedürfnissen verhindern. Inwiefern wir Bewusstsein über unsere Abwehrmechanismen haben, ist eine Frage der Reflexion bzw. der Reife - so gelten manche Strategien als reifer und verursachen weniger Probleme.

Im Folgenden findest du eine genauere Beschreibung einiger der wichtigsten Abwehrstrategien und wie du diese in gesündere Mechanismen transformieren kannst.

1. Rationalisierung - "Es ist doch alles halb so schlimm"


Bei dieser Abwehrstrategie negativer Empfindungen suchen wir (vermeintlich) logische oder moralisch akzeptable Erklärungen für unser Verhalten, unsere Gedanken oder Gefühle. Inbegriffen sind unsere Reaktionen auf äußere Umstände.
Ein Beispiel: Eine Kollegin schnappt sich - lautstark oder ganz leise - in einem Meeting das Lieblingsprojekt eines anderen Teammitglieds. Auf etwaige Schuldgefühle wegen des "hinten rum Agierens" reagiert die Psyche der Kollegin rationalisierend: Sie könnte sich einreden, dass das Projekt ohnehin nicht sooo spannend ist, dass der Teamkollege sowie so viele Projekte auf dem Tisch hat und dass das Thema ja auch eigentlich gar nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt.
Ein weiteres Beispiel: Ein Mann wird von seiner Partnerin verlassen. Durch Rationalisierung lässt er es erst gar nicht zum Schmerz über die Zurückweisung kommen, sondern sagt sich, er könne sich glücklich schätzen, nach langer Zeit in einer Beziehung nun endlich mal wieder Single zu sein und seine Freiheit genießen zu dürfen. Bei der Rationalisierung handelt es sich immer auch um eine Rechtfertigung vor sich selbst und/oder anderen.

Wie wir reifer reagieren können:
Mit der Rationalisierung schaffen wir vermeintliche Fakten im Außen, die uns vom Fühlen oder von der Übernahme von Verantwortung abhalten sollen. Wir können unseren Anteil in solchen Situationen betrachten, indem wir uns fragen „Wie geht es mir dabei emotional?“ und „Wie kann ich hier Verantwortung übernehmen, wenn ich der Versuchung widerstehe, Gründe im Außen zu finden?“. Auch ein ehrliches Gespräch kann dabei sehr hilfreich sein.


2. Projektion - Der / die Andere ist das Problem

Bei diesem häufigen Abwehrmechanismus übertragen bzw. „projizieren“ wir eigene „verbotene“ Triebe, Denk- oder Verhaltensweisen auf andere Personen.
Ein bekanntes Beispiel dafür ist der homophobe Mann aus dem Film „American Beauty“, der sich seiner eigenen Homosexualität nicht bewusst ist, sie um jeden Preis verdrängen will – und als Überkompensation in anderen Männern homosexuelle Neigungen sieht, welche er aufs Schärfste verurteilt.
Ein weiteres Beispiel: Eine Frau fühlt sich einsam und hat nur wenige Freundinnen. Als eine Bekannte sie enttäuscht, reagiert sie zickig und wirft dieser vor, mit ihrem Verhalten sei es kein Wunder, dass sie kaum Freundschaften habe. So leitet sie die eigene unbewusste Angst, nicht liebenswert zu sein, auf eine andere Person um. 

Wie wir reifer reagieren können:
Der Schlüssel bei der Projektion liegt eindeutig in Großzügigkeit, Toleranz und Empathie gegenüber sich selbst. Immer wenn du dich bei jemand anders stark über etwas aufregst, könnte es sein, dass du eigene Anteile auf das Gegenüber projizierst, die dir Angst machen oder die du dir nicht erlaubst – und bei denen du entsprechend andere insgeheim beneidest, die das leben, was du dir im Verborgenen wünschst. Wenn du dich also über eine andere Person entrüstest, frag dich: „Warum triggert mich das so sehr – was hat das mit mir zu tun?“ und „Mit welchem Anteil in mir kann ich mich versöhnen, statt ihn zu bekämpfen?“



3. Verschiebung - Einen Sündenbock finden

Hiebei übertragen wir Impulse oder negative Gefühle gegenüber einem Menschen oder einer Situation auf eine (meist weniger bedrohlich wirkende) andere Person, Sache, o. ä.
Beispiel: Ein Teammitglied wird harsch von dem Vorgesetzten getadelt. Weil er der Autoritätsperson gegenüber seine Frustration nicht ausdrücken kann, baut er seinen Stress ab, indem er zuhause die Kinder anbrüllt.
Ein weiteres Beispiel: Jemand ist extrem wütend, weil ein ihm nahestehender Mensch von einem Auto angefahren wurde. Da er sich an dem unbekannten Autofahrer nicht „rächen“ kann, entlädt er seine Aggression, indem er auf ein Kissen einprügelt.

Wie wir reifer reagieren können:
In den wenigen Fällen, in denen bei der Verschiebung tatsächlich niemand zu Schaden kommt (Beispiel aufs Kissen einschlagen), ist dieser Abwehrmechanismus vielleicht noch akzeptabel. Meist bekommen dabei jedoch „unschuldige“ Personen die negativen Gefühle ab, was unfair und unbedingt zu vermeiden ist! Achte also darauf, deine negativen Empfindungen anderweitig abzubauen (Sport, Atemübungen, Meditation) und – wenn möglich – drücke deinen Unmut auf konstruktive Weise gegenüber den Menschen aus, die ihn in dir verursacht haben. Und gerade wenn die Verschiebung Kinder trifft, ist es wichtig, das unmittelbar glattzuziehen - indem etwa erklärt wird, warum man ungerechtfertigter Weise explodiert ist und sich entschuldigt.


4. Verdrängung - Ich weiß nichts davon

Bei der Verdrängung möchte sich unsere Psyche vor einer Bedrohung ihrer Integrität schützen – beispielsweise vor inneren Trieben oder Erlebnissen, die unserem idealen Selbstbild zuwiderlaufen. Diese Impulse oder Erinnerungen werden dann – ohne dass wir das aktiv mitbekommen – in unser Unbewusstes verdrängt, äußern sich aber weiterhin auf indirekte, diffuse Weise.
Beispiel: Ein Abteilungsleiter weiß, dass seine Abteilung nicht profitabel ist, verdrängt die Tatsache aber solange, bis sie in der Quartalsbesprechung präsentiert wird. Oder: Eine Kollegin, die sich selbst stets sehr kontrolliert und um Zurückhaltung bemüht ist, schlägt bei einer Betriebsfeier über die Stränge, sodass ein paar Kolleginnen im Nachhinein ihr Verhalten negativ kommentieren. Der Frau ist diese Abweichung von ihrem Ich-Ideal so peinlich, dass sie diese Begebenheit verdrängt – und sich schon ein paar Wochen später kaum noch an den Abend erinnert. Nur manchmal hat sie ein nicht greifbares ungutes Gefühl, wenn sie an die Feier denkt.

Wie wir reifer reagieren können:
Da die Verdrängung komplett ohne die Beteiligung unseres Bewusstseins stattfindet, ist es gar nicht so einfach, ihr auf die Schliche zu kommen. Was auf Verdrängtes hindeutet, sind jedoch immer seltsame wiederkehrende „Erscheinungen“: ein mulmiges Gefühl, ein bestimmter Traum, eine Ersatzhandlung oder Fehlleistung. Eine Ersatzhandlung wäre im obigen Beispiel, wenn der Abteilungsleiter ständig auf die vermeintlichen Missstände in anderen Abteilungen hinweist, statt der Geschäftsleitung zu melden, dass seine eigene Abteilung nicht läuft. Eine Fehlleistung ist beispielsweise ein „Freudscher Versprecher“: Unsere verdrängte Meinung kommt zum Vorschein, indem wir aus Versehen das sagen, was wir in Wirklichkeit unter der perfekten Fassade denken. Gegen Verdrängung hilft ritualisierte Ehrlichkeit gegenüber sich selbst: Gewöhne dir an, täglich in dich hineinzufühlen und dich zu fragen: „Wie geht es mir wirklich? Warum?“ Schau vor allem bei diffusen, seltsamen Empfindungen genauer hin. 


5. Reaktionsbildung - Verkehrung ins Gegenteil  

Bei diesem interessanten Mechanismus wehren wir gewisse Impulse aus unserem Unbewussten ab, indem wir diametral entgegengesetzte Verhaltensweisen entwickeln. Beispiel: Ein Mann mag seine Arbeitskollegin in Wirklichkeit nicht, reagiert darauf aber damit, dass er besonders nett zu ihr ist und sie bevorzugt – denn eine offene Ablehnung käme aufgrund der engen Teamstruktur nicht infrage. Das zugrundeliegende Motto könnte lauten „Wenn du einen Feind nicht besiegen kannst, dann mache ihn dir zum Freund.“
Weiteres Beispiel: Ein Jugendlicher ist in eine Mitschülerin verliebt, will sich diese Gefühle aber nicht eingestehen. Deshalb ärgert und neckt er sie bei jeder Gelegenheit oder ignoriert sie manchmal komplett, als sei sie ihm egal.

Wie wir reifer reagieren können:
Diesem Abwehrmechanismus kommen wir oft nur schwer auf die Schliche. Ein Indiz dafür, dass Reaktionsbildung zugrundeliegt: Vielleicht kommt dir dein Verhalten selbst komisch und wie fremdgesteuert vor, und du kannst es dir selbst nicht so recht erklären. Auch hier kann das Feedback von anderen Personen dich darauf aufmerksam machen, dass du deine wahren Motive hinterfragen solltest.


6. Intellektualisierung - Um den Kern kreisen

Durch Einnehmen einer theoretischen, abstrakten „Forscherperspektive“ distanzieren sich Menschen bei diesem Abwehrmechanismus von ihrer Gefühlswelt und/oder von realen Situationen. So kann z.B. bei einem konkreten Konflikt im Team über die Natur der Kollaboration philosophiert werden, oder man kann sich bei der Konfrontation mit den Herausforderungen anderer Menschen auf abstrakte Konzepte oder Krankheitsstatistiken zurückziehen.

Das Verhalten anderer Menschen kann z.B. als Paradebeispiel eines bestimmten Persönlichkeitsstils oder eines typischen Verhaltensmusters eingeordnet werden, wodurch man selbst dann weniger unter dem Verhalten dieser Person leidet. Wenn man gleich ein ganzes Verhalten oder ein Gefühl für eine Störung erklärt, handelt es sich um eine Sonderform der Intellektualisierung: Das Pathologisieren. Ein mies gelaunter Chef hat dann schnell mal eine klinische Depression; und eine geltungssüchtige Kollegin eine narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Wie wir reifer reagieren können:
Intellektualisierung kommt häufig bei Menschen vor, die von Natur aus eine gewisse wissenschaftlich-philosophische Ader haben und oft und gerne über die möglichen Gründe für menschliches Verhalten nachdenken. Insofern sind die Grenzen zwischen theoretischer Einordnung eines Themas aus reinem Interesse und Abspaltung der eigenen Gefühle durch intellektuelle Betrachtung fließend. Erinner dich regelmäßig daran, dass du dich auch den beteiligten Emotionen widmen musst, wenn du dich weiterentwickeln möchtest, und dass nicht immer alles auf wissenschaftliche Weise eingeordnet und gelabelt werden muss.


7. Somatisierung und Konversion - Manifestation körperlicher Symptome und Krankheiten 

Diese beiden Abwehrmechanismen beziehen sich auf das Umwandeln von psychischem Stress in körperliche Symptome, welches weit verbreitet ist. Somatisierung bedeutet dabei, dass sich eine mentale Belastung anhand unspezifischer körperlicher Schmerzen, z. B. im Rücken, Kopf, Magen etc ausdrückt.
Beispiel: Eine junge Frau bekommt jedes Mal, wenn sie Präsentationen vor großen Runden halten muss, vor Stress ganz viele Pickel im Gesicht. Konversion ist so zu verstehen, dass über den körperlichen Ausdruck hinaus dieser auch noch in einem symbolischen Zusammenhang mit dem Problemthema steht.
Beispiel: Ein Mensch entwickelt eine solche Aversion gegenüber dem Job, dass seine Beine gelähmt werden, ohne erkennbare körperliche Ursache. So kann er wortwörtlich nicht mehr dorthin „gehen“.

Wie wir reifer reagieren können:
Während Extremfälle wie das Beispiel der Lähmung nicht so einfach zu behandeln sind, kennen die meisten Menschen leichtere Formen von Somatisierung und Konversion. Kopfweh, Magen-Darm-Probleme, Herzrhythmusstörungen, Erröten oder Verspannungen sind typische Symptome unserer Verarbeitung von Stress und Ängsten. Meist sind diese körperlichen Reaktionen nicht steuerbar, wohl aber können wir uns mit deren Auslöser befassen und – im Rahmen von Somatic Experience, Cocahing, Psychotherapie, Hypnose, Achtsamkeitsübungen etc. – daran arbeiten, von vornherein weniger Sorgen, Furcht, Anspannung und Stress zu empfinden. Nimm wiederkehrende körperliche Signale in jedem Fall ernst, lass sie im Zweifelsfall ärztlich abklären – und erforsche bei nicht erkennbaren physischen Ursachen, aus welcher mentalen Stressquelle sie herrühren könnten.


8. Kompensation - Überbetonung eines anderen Lebensbereiches 

Bei diesem Abwehrmechanismus gleichen wir eine von uns selbst oder anderen wahrgenommene Schwäche durch Überbetonung einer Stärke von uns aus. Sie kann auch ganz allgemein als Prozess verstanden werden, der psychisches Ungleichgewicht ausgleicht.
Beispiel: Ein Kreativer in einer Werbeagentur schämt sich insgeheim, weil er im Umgang mit Grafikprogrammen im Vergleich zu seinem Team wesentlich unsicherer ist. Unbewusst betont er deshalb immer, dass es für die Qualität eines Projekts vor allem auf geniale Ideen ankäme – die Umsetzung sei dann nur zweitrangig.
Noch ein simples Alltagsbeispiel, welches sicher viele kennen: Jemand hatte einen stressigen Arbeitstag und die eigene Präsentation ist nicht geglückt. Um die dadurch entstandene negative Stimmung zu kompensieren, gönnt die Person sich abends ein schönes Bad, eine Pizza beim Lieblingsitalieners oder kauft sich etwas, was sie sich schon lange gewünscht hat.

Wie wir reifer reagieren können:
Im Grunde ist Kompensation ein weit verbreiteter und oft sinnvoller Abwehrmechanismus. So kann beispielsweise auch erholsamer Urlaub als Kompensation für den anstrengenderen Arbeitsalltag betrachtet werden – ein völlig „normaler“ Prozess. Wichtig ist dabei nur das Gleichgewicht zu wahren: Wer immer bloß eine Schwäche oder ein Problemthema mit etwas anderem kompensiert, löst nicht das eigentliche Problem. Um auf die oben genannten Beispiele einzugehen: Der Agenturmitarbeiter sollte trotz Ideenstärke daran arbeiten, seine technischen Fähigkeiten auszubauen, und wer immer wieder extrem von seinem Job gestresst ist, sollte die Gründe analysieren und Lösungen finden, statt sich lediglich mit Angenehmem abzulenken. 


9. Idealisierung & Abwertung - Das Podest & der Keller der Entartung

Bei der Idealisierung stellen wir einen anderen Menschen auf ein Podest, um uns dadurch selbst besser zu fühlen. Das kann verschiedene Gründe haben und unterschiedliche innere Konflikte abwehren. Wir können beispielsweise unsere*n Partner*in, Vorgesetzte*n, Freund*in idealisieren und darauf hoffen, dass diese uns von unserem Leid erlösen werden. Wir können unseren Partner idealisieren und uns dadurch von den Problemen in unserem Leben ablenken. Mit dem perfekten Partner an der Seite ist schließlich alles halb so schlimm.

Ein ähnlicher Mechanismus ist die Abwertung. Wir fühlen uns selbst besser, wenn wir andere Menschen, deren Leistungen oder Beziehungen abwerten. Dadurch fühlen sich die eigenen Mängel und Probleme weniger schlimm an. Auch das Lästern ist eine Form der Abwwertung.

Wie wir reifer reagieren können:
Andere abzuwerten, schlechtzureden oder über sie zu lästern, ist ein sehr negatives Verhalten und ein unreifer Abwehrmechanismus - ebenso unreif, wie andere Menschen auf ein Podest zu stellen. Stattdessen ist es hilfreich, dass wir unsere eigenen Stärken, Schwächen, Konflikte und Probleme anerkennen und bewusst daran arbeiten, anstatt sie durch Idealisierung oder Abwertung anderer Menschen zu verdrängen und abzuwehren.


10. Affektisolierung - Abspaltung der Gefühle

Dabei wird ein unerwünschtes Gefühl (Affekt) von einer bestimmten Situation entkoppelt, sodass die Person dieses gar nicht mehr wahrnimmt.
Beispiel: Ein Mann verliert durch Kündigung seinen Job, den er immer sehr gerne ausgeübt hat. Als er seiner Familie abends davon berichtet, nennt er nur auf nüchterne Art die Fakten und Rahmenbedingungen – ohne jeglichen emotionalen Ausdruck der Enttäuschung, Trauer oder Wut.
Ein zweites Beispiel: Das geliebte Kaninchen eines kleinen Mädchens stirbt. Zum Erstaunen ihrer Eltern zeigt sie jedoch gar keine Traurigkeit, sondern bespricht nur auf rationale Art, dass sie es im Garten beerdigen möchte. Die emotionale Ebene scheint komplett abgekoppelt.

Wie wir reifer reagieren können:
Gerade bei einschneidenden oder traumatischen Lebensereignissen ist der Abwehrmechanismus der Affektisolierung zunächst einmal sehr hilfreich – weil uns die geballte Ladung negativer Gefühle in manchen Fällen sprichwörtlich den Boden unter den Füßen wegziehen würde. Es ist dabei nur wichtig, gut in sich hineinzuhören und Emotionen, die irgendwann doch unweigerlich aufkommen, dann nicht zu unterdrücken. Um solche Erlebnisse zu verarbeiten, müssen sie nämlich – im passenden zeitlichen und räumlichen Rahmen – zugelassen und verarbeitet werden. 

Wie gelingt es uns nun also, unsere Abwehrmechanismen Stück für Stück aufzulösen, um mit uns selbst und anderen besser in Verbindung zu treten? 

  • Stärke dein Bewusststein
    Abwehrmechanismen sind ein Weg, unsere wahren Gefühle zu umgehen. Sie versuchen, uns zu schützen, wenn wir uns "angreifbar"/verletzlich fühlen. Der erste Schritt ist daher sich darüber klar zu werden, dass du Abwehrmechanismen nutzt. Wenn es dir gelingt zu erkennen, in welchen Situationen du sie nutzt, kannst du tiefer graben und die dazugehörigen Emotionen identifizieren. Erlaube deinen Gefühlen, mit dir "zu kommunizieren" - hör zu, was sie dir zu sagen haben. Gehe dann ins Tun, anstatt dich von deinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Wenn du weißt, welche Tools dir in Stresssituationen helfen, kannst du leicht(er) in die Aktion kommen. Mit der Zeit lernst du, deine Herausforderungen direkter zu adressieren und anzugehen, statt sie - wie auch immer - abzuwehren.
  • Übernimm Verantwortung
    Abwehrmechanismen funktionieren oft nach dem Prinzip, die Schuld bei anderen, oder in den Umständen zu suchen. Wir glauben daran, dass Dinge uns "angetan" oder "zugemutet" werden, anstatt die Verantwortung für unseren Anteil an der Situation zu übernehmen. Um zu in deiner Persönlichkeit zu wachsen, musst du akzeptieren, dass du nicht kontrollieren kannst, wie andere fühlen oder reagieren. Du kannst nur deine eigenen Emotionen und dein eigenes Verhalten kontrollieren.
  • Brich die Muster
    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir alle stecken in Mustern fest - Muster welche uns häufig nicht dienlich sind. Wenn wir lernen für unsere eigenen Emotionen Verantwortung zu übernehmen, sind wir bereit, jene Muster zu brechen und können aufhören, Abwehrmechanismen zu nutzen. Konzepte und Strategien wie Achtsamkeit, Meditation, Dankbarkeit können dir dabei helfen, dein Mindset zu verändern und einen positiveren Blick auf die Welt zu kultivieren. Regelmäßiges Journaling gibt dir die Möglichkeit, dich durch deine Gefühle zu arbeiten und du beginnst, deine Muster zu erkennen. Hilfe im Außen (Freunde, Coaches, Therapeuten) kann dein Selbstbild abgleichen, dich "aufgleißen", oder dich darauf hinweisen, wenn du ungesunde Entscheidungen für dich triffst. Es gibt unzählige Konzepte, Strategien, Tools - es geht nur darum, dass du ein Toolkit für dich erarbeitetst, welches für dich funktoniert.

Jede*r von uns nutzt und lebt Abwehrmechanismen - dass ist nur natürlich. Wenn du dich aber zu sehr auf sie berufst und ständig Entschuldigungen findest, wenn du eigentlich wachsen könntest, wird es Zeit deine Schutzstrategien zu analysieren und zu verändern. Daran zu arbeiten kostet Zeit und Kraft, aber du wirst sehen, es lohnt sich.